gelegentliches Phänomen oder immer auftretende Behandlungsfolge?
Was heißt kompensatorisch?
Unter kompensatorischem Schwitzen wird ein verändertes Schwitzen verstanden, das nach oder im Rahmen einer Behandlung entsteht. Es bedeutet ein verstärktes Schwitzen an anderen Körperstellen als den behandelten.
Nach lokalen Behandlungen titt kompensatorisches Schwitzen selten auf. Typisch ist es allerdings nach Operationen am Sympathikusnervensystem, insbesondere nach Sympathikus-OPs im Brustbereich (Thorax), der endoskopischen thorakalen Sympathektomie ETS oder ETSC, wenn die Sympathikusblockade mit Clips durchgeführt wird..
In immer mehr Kliniken werden Sympathikus-Operationen gegen Händeschwitzen durchgeführt. Damit steigt auch die Anzahl dieser Operationen in Deutschland. Und sind immer alle Behandelten danach glücklich? Schon, aber eben nicht immer.
Woher kommt der Begriff „kompensatorisch“?
Eine Nebenwirkung der „ETS“, der endoskopischen thorakalen Sympathikusblockade gegen Händeschwitzen, ist ein verstärktes Schwitzen an anderen Körperstellen: das „kompensatorische“ Schwitzen. Warum steht das hier in Anführungszeichen? Nun – weil es eigentlich ein falscher Begriff ist. Kompensation heißt ja Ausgleich und früher – und viele glauben das immer noch – deutete man das vermehrte Schwitzen nach einer OP einfach so: das Schwitzen sucht sich andere Wege und damit müssen andere Körperstellen die nicht mehr schwitzenden Körperzonen ausgleichen.
Klingt plausibel – ist aber falsch. Woher sollte auch eine andere Körperstelle wissen, was die Hände vorher gemacht haben. Es ist ein sogenanntes Regelkreisphänomen, das heißt, die Steuerung selbst verursacht mehr schwitzen an anderen Stellen.
Jetzt ist kompensatorisches Schwitzen (Abkürzung KS) ein eingeführter Begriff und wird seit Jahren verwendet. Auch im Englischen spricht man von „compensatory sweating“, also kompensatorischem Schwitzen und kürzt das mit „CS“ ab.
Kompensatorisches Schwitzen ist also als Begriff kaum zu verändern – egal, wir wissen ja jetzt, dass es kein eigentlicher Ausgleich einer bestimmten Schwitzmenge, keine Kompensation ist.
„Kompensatorisches“ Schwitzen ist eine zwangsläufige Folge einer Sympathikusoperation im Brustkorb, die wegen übermäßigen Schwitzens an Kopf, Händen und Achseln oder wegen übermäßigen Errötens durchgeführt wird. Das konnte die Forschungsgruppe um Dr. Schick anfangs der 2000er Jahre bereits zeigen. Und weil „kompensatorisches“ Schwitzen durch eine Unterbrechung von Regelkreisen entsteht, nennen wir es lieber reflektorisches Schwitzen.
Es ist also nicht die Frage, ob man nach einer ETS ein „kompensatorisches“ Schwitzen entwickelt, sondern: wie stark wird das sein? Wie sehr wird es mich stören?
Kann man „kompensatorisches“ Schwitzen vor einer OP abschätzen?
Die Heftigkeit eines kompensatorischen Schwitzens hängt wesentlich von der Regulationsdynamik vor der Operation ab. Dr. Schick und sein Team entwickelten neurophysiologische Messverfahren, die genau diese Steuerungseffekte erfassen lassen. So wird eine Prognose möglich, wie heftig sich ein kompensatorisches Schwitzen nach einer ETS entwickelt. Weil bei Körperempfindungen aber auch subjektive Einschätzungen und Empfindungen eine wesentliche Rolle spielen, sind Messwerte keine Absolutwerte. Sie weisen aber den Weg. So kann eine solche Messung auch Ergebnisse liefern, die von einer Operation abraten lassen. Deshalb sollten Messungen der Schwitzdynamik vor einer OP in jedem Falle erfolgen und im DHHZ sind solche Untersuchungen vor einer Operation daher zwingend nötig.
Was tun bei „kompensatorischem“ Schwitzen?
Wenn das postoperative Mehrschwitzen, also das verstärkte Schwitzen nach einer Sympathikusoperation, sehr heftig auftritt, kann es genauso zu Einschränkungen führen wie das ursprüngliche vermehrte Schwitzen. Es kann einer generalisierten Hyperhidrose am Körper entsprechen.
Falls das reflektorische Schwitzen ein so stark störendes Ausmaß annimmt, ist ein Behandlungswunsch verständlich. Und es gibt auch hierfür Therapieoptionen:
- Medikamente, die das Schwitzen mindern
- besondere medikamentöse Verfahren (sog. „off-label“ Therapien), speziell das PIO Programm
- operative Entfernung der Sympathikusblockade, was bei Clip-Blockaden technisch möglich ist
- operative Wiederherstellung von Sympathikusnervenfunktionen
- Thermotherapie der Haut (Wärmetherapie), allen voran die miraDry Methode, die zunehmende Bedeutung gewinnt
Diagnostik des „kompensatorischen“ Schwitzens
Mit einem Farbtest kann das Schwitzen dargestellt werden. Dabei verfärben sich schwitzende Regionen und zeigen eine „Landkarte“ der schwitzenden Regionen sehr genau an. So lässt sich der Umfang einer Behandlung gut bestimmen, denn es geht immer um die Stellen, an denen Schweiß entsteht und nicht die Stellen, an die der Schweiß nur hinläuft. Flecken auf der Kleidung können schon vorher Hinweise geben, aber sie können auch trügen.
Medikamente gegen reflektorisches „CS“
Geht es um umschriebene Körperstellen, kann Botulinumtoxin zum Einsatz kommen. Die Behandlung ist erprobt, gut wirksam und risikoarm. Dem raschen Wirkungseintritt innerhalb weniger Tage steht allerdings eine befristete Wirkzeit von durchschnittlich 3 bis 9 Monaten gegenüber. Der Gesamtaufwand ist klein mit in der Regel kurzer Zeit körperlicher Schonung und schneller Erholung ohne Ausfallzeit.
Viel einfacher kann häufig mit speziellen Medikamenten, meist in Tablettenform, als Tropfen oder Cremes, das Schwitzen gebremst werden. Alle diese Medikamente wurden nicht speziell für Hyperhidrose entwickelt oder nicht für alle Körperzonen, aber sie wirken und helfen, das kompensatorische Schwitzen zu vermindern.
Ein noch recht neues und für alle an kompensatorischem Schwitzen Leidenden höchst interessantes Behandlungsprinzip ist PIO für “Patienten in Optimierung”. Die PIO Behandlung ist komplett online durchführbar und führt in kürzester Zeit zu enormen Verbesserungen des “CS” und damit zu besserer Lebensqualität.
Entfernung von Sympathikusblockaden
Wenn man den überaktiven Sympathikusnerven, der einem Hyperhidrose oder übermäßiges Erröten einbrocken kann, blockieren kann, dann kann diese Blockade auch entfernt werden. Das ist jedoch nur möglich, wenn eine ETSC durchgeführt wurde, eine Sympathikusblockade mit Clips. Bei der Clipblockade, dem Clipping, sind kleine Klammern auf die Nervenbahnen gesetzt, um die Nervenimpulse zu stoppen. Diese Klammern können fast immer wieder entfernt werden, damit sich die Nervenfasern wieder erholen können.
Wiederherstellung des Sympathikusnervs
Falls die Sympathikusblockade nicht mit Clips, sondern mittels Zerstörung des Nerven erfolgte, ist eine Rekonstruktion sehr viel aufwändiger. Die Nervenblockade wurde dann als Durchtrennung, Teilentfernung oder Hitzeverödung durchgeführt. Die vollständige Funktion des Sympathikusnerven ist dann nicht erreichbar. Aber die Faserimpulse, die das kompensatorische Schwitzen bedingen, lassen sich – zumindest teilweise – grundsätzlich wiederherstellen. Hierzu müssen wir Nervenfasen verpflanzen.
Eine Operation zur (Teil-)Wiederherstellung des Sympathikusnerven wird zusammengefasst als Reversal-Operation oder einfach Reversal bezeichnet. Eingehende Informationen zur Reversaloperation gibt es hier.
Thermotherapie gegen „kompensatorisches“ Schwitzen
Gerade wenn die im Rahmen eines reflektorischen Schwitzens stark reagierenden Areale umschrieben und nicht übermäßig groß sind, besteht die Möglichkeit, die Schweißdrüsen selbst abzuschalten. Dies gelingt mittels Hitzeverödung der Drüsen in der Tiefe der Haut. Die Idee einer Behandlung mit Hitze ist nicht neu und wurde schon von etwa 20 Jahren mit Lasern versucht. Problem war dabei die enorme Hitze an der Hautoberfläche und die zu geringe Wärme in der Tiefe. Die Drüsen wurden kaum erreicht. Nachfolgende Verfahren waren neben unterschiedlichen Lichttherapieverfahren und dem sehr ungewöhnlich anmutendem Versuch, heißes Wasser unter die Haut zu spritzen, die Anwendung hitzeerzeugender elektromagnetischer Wellen.
Diverse Radiowellenverfahren konnten die Erwartungen nicht erfüllen, wohl aber die Verwendung von Mikrowellen.
Das im Ergebnis erfolgreichste Verfahren ist heute die miraDry Mikrowellentherapie.
Vorteil der Mikrowellentherapie ist die Schonung der Hautoberfläche. Das Verfahren kommt ohne chirurgische Schnitte aus. Bei umschriebener Anwendung löst miraDry seinerseits kein weiteres kompensatorisches Schwitzen aus.
Eingehende Informaion zur miraDry Behandlung gibt es hier.
Ich möchte mein kompensatorisches Schwitzen behandeln lassen – wie geht es weiter?
Gerne besprechen wir mit Ihnen die Möglichkeiten einer Behandlung Ihres kompensatorischen Schwitzens. Dies kann als grundsätzliche Besprechung der Möglichkeiten gerne im Rahmen eines Ersttermins sein.
Wenn Sie konkrete Aussagen auch zur Thermotherapie oder zu Reversal Operationen wünschen, sollten wir einen Farbtest planen. Dazu sind mindestens zwei Stunden nötig und das erfordert eine gemeinsame Terminfindung. Diese besonderen Termine können Sie nicht online buchen. Starten Sie hier eine Behandlungsanfrage und wir kommen auf Sie zu.
Oder Sie schildern uns Ihre Situation per E-Mail mit Ihrer Rückruf-Telefonnummer. Wenn möglich, legen Sie Arztbrief und OP-Bericht bei. Bitte nennen Sie das Stichwort „kompensatorisches Schwitzen“ und wir sind gerne für Sie da.
Zusammenfassung:
- Sie wollen eine allgemeine Beratung – buchen Sie bitte einen „Ersttermin“. Bringen Sie dazu den Arztbrief und Operationsbericht mit zum Termin.
- Sie planen eine Behandlung bei uns und wollen Klarheit über den Umfang und die Möglichkeiten – schreiben Sie uns eine E-Mail mit Rückrufnummer und senden Sie Arztbrief und Operationsbericht mit. Oder noch einfacher, Sie starten hier eine Behandlungsanfrage. Wir rufen Sie zurück zur Terminplanung entsprechender Tests.
- Sie wollen Diagnostik und Behandlung verbinden, weil Sie einen langen Anfahrtsweg zu uns haben – das ist möglich. Auch das planen wir im Rahmen eines Rückrufs. Starten Sie hier eine Behandlungsanfrage.